Am 25. Januar 2018 erließ der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) ein Urteil (Rechtssache C-473/16), wonach psychologische Tests zur Bestimmung der sexuellen Orientierung von AsylbewerberInnen verboten sind. Laut EuGH ist die Durchführung solcher Tests ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben und damit unvereinbar mit den europäischen Grundrechten. Ähnlich entschied der EuGH bereits 2014: Zwar dürfen die Behörden den Fluchtgrund der Verfolgung aufgrund von Homosexualität überprüfen, aber nur unter Beachtung der Grundrechte des Asylsuchenden.
Am 25. Januar 2018 erließ der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) ein Urteil (Rechtssache C-473/16), wonach psychologische Tests zur Bestimmung der sexuellen Orientierung von AsylbewerberInnen verboten sind. Laut EuGH ist die Durchführung solcher Tests ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben und damit unvereinbar mit den europäischen Grundrechten. Ähnlich entschied der EuGH bereits 2014: Zwar dürfen die Behörden den Fluchtgrund der Verfolgung aufgrund von Homosexualität überprüfen, aber nur unter Beachtung der Grundrechte des Asylsuchenden.
Das Recht auf Asyl ist nicht nur im nationalen und europäischen Recht geregelt, es ist auch als ein Menschenrecht im Völkerrecht geschützt. Auf internationaler Ebene ist in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert, wann ein Mensch als Flüchtling anerkannt wird und das Recht hat Asyl zu suchen. Ein Grund kann die Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sein. Als bestimmte soziale Gruppe kann insbesondere auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet.
Welche Handlungen als Verfolgung gelten können, listet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf.1
Hierzu gehört vor allem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt. Darüber hinaus zählen dazu auch staatliche Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder die unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung. Des Weiteren können auch Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen Beispiele für solche Handlungen sein. Das bedeutet, Homosexuelle haben ein Recht auf Asyl, wenn ihnen im Herkunftsland Verfolgung droht.
Der EuGH hat seine Entscheidung auf unterschiedliche Rechtsquellen gestützt, über die hier in aller Kürze ein Überblick verschafft werden soll:
I. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh)
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) enthält bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und Unionsbürgerrechte, legt also Grund- und Menschenrechte im Rahmen der EU fest. Über die Rechtsverbindlichkeit der Charta wurde lange Zeit gestritten. Seit dem Vertrag von Lissabon, der am 01. Dezember 2009 in Kraft trat und in dem sich in Artikel 6 Absatz 1 EUV ein Verweis auf die GRCh findet, ist diese rechtlich bindend für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Weitere Rechtsquelle für die Entscheidung des EuGH war die EMRK. Artikel 8 Absatz 1 EMRK schützt das Familien- und Privatleben in einem besonderen Maße:
„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“
Diese Richtlinie regelt vor allem den Begriff der Asylbehörde und die Sicherstellung der Mitgliedstaaten, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung über einen Asylantrag nach angemessener Prüfung trifft. Demnach dürfen Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, damit die Anhörung unter Bedingungen durchgeführt wird, die den persönlichen und allgemeinen Umständen des Antrags sowie der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers gerecht werden. Schließlich soll sichergestellt werden, dass der Asylbewerber sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wahrnehmen kann. 2
Im 30. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass es notwendig sei einen gemeinsamen Ansatz für den Verfolgungsgrund „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ zu entwickeln. Hierbei seien die Aspekte im Zusammenhang mit dem Geschlecht des Antragsstellers einschließlich seiner geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung, die mit bestimmten Rechtstraditionen und Bräuchen in Zusammenhang stehen dann angemessen zu berücksichtigen, sofern diese in Verbindung mit der begründeten Angst des Antragsstellers vor Verfolgung stehen.
Weiter wird die Pflicht der Mitgliedsstaaten erläutert, die maßgeblichen Anhaltspunkte zu überprüfen. Diese ergeben sich aus
dem Alter
den familiären und sozialen Verhältnissen
der Identität
der Staatsangehörigkeit
dem Land und Ort des früheren Aufenthalts
den früheren Asylanträgen
den Reisewegen und Reisedokumenten
den Gründen für internationalen Schutz und sämtlichen der antragstellenden Person zur Verfügung stehenden Unterlagen zu diesen Angaben
Die Anträge sind von den Mitgliedstaaten jeweils individuell zu prüfen.
Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie regelt dabei, wann es keines Nachweises bedarf:
„5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn
a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;
b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;
c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;
d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und
e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.“
Eine Gruppe wird nach der Richtlinie insbesondere dann als bestimmte soziale Gruppe angesehen, wenn
„die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“
und
„die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.“ 3
Diese Richtlinie regelt insbesondere, dass die Mitgliedstaaten eine Asylbehörde benennen soll, die für die Prüfung der Asylanträge zuständig ist und die geeignete Maßnahmen zur Überprüfung trifft. So regelt Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie beispielsweise, dass persönliche Anhörungen nur unter Bedingungen durchgeführt werden sollen, welche die persönlichen und allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der kulturellen Herkunft, der Geschlechtszugehörigkeit, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität und der Schutzbedürftigkeit des Antragsstellers berücksichtigen. Art. 46 Abs. 1 und 4 der Richtlinie stellt sicher, dass die Betroffenen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf haben.
Bereits im Jahr 2014 urteilte der EuGH, dass Videobeweise von Behörden als Beleg für die sexuelle Orientierung eines Asylbewerbers nicht akzeptiert werden dürfen. Ein Antragsteller hatte ein Video als Beleg für seine sexuelle Orientierung eingereicht. Ebenso nicht erlaubt sind Tests, wie beispielsweise Phallogramme, bei denen pornographischer Bilder vorgespielt werden. Das jüngste Urteil des EuGH präzisiert diese Rechtsprechung und geht dabei noch einen Schritt weiter, wie im folgenden Absatz erläutert.
Im April 2015 stellte ein nigerianischer Staatsangehöriger bei den ungarischen Behörden einen Asylantrag, den er damit begründete, dass er befürchte, in seinem Herkunftsland aufgrund seiner Homosexualität verfolgt zu werden. Obwohl die ungarischen Behörden in seinen Angaben keine Widersprüche feststellten, wiesen sie seinen Antrag ab, da das von Ihnen in Auftrag gegebene psychologische Gutachten zur Persönlichkeit des Asylbewerbers die angegebene sexuelle Orientierung nicht bestätigt habe. Das Gutachten umfasste eine Exploration, eine Persönlichkeitsprüfung und unterschiedliche Persönlichkeitstests, darunter einen Draw-A-Person-In-The-Rain-Test, bei dem wie der Name schon sagt eine Person im Regen gemalt werden muss4, ein Rorschach-Test, bei dem ein Tintenfleck interpretiert werden soll5 und ein Szondi-Test, bei dem Portraitbilder nach Sympathie und Antipathie geordnet werden müssen6. Nicht Inhalt des Tests waren eine körperliche Untersuchung und das Ansehen von pornographischen Bild- oder Videomaterial.
Der Asylbewerber wehrte sich gegen diese Entscheidung vor ungarischen Gerichten. Er machte geltend, dass die psychologischen Tests im Rahmen dieses Gutachtens eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Grundrechte darstellten und es nicht ermöglichten, die Plausibilität seiner sexuellen Orientierung einzuschätzen.
Das mit der Klage befasste Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szeged in Ungarn legte dem Europäischen Gerichtshof zum einen die Frage vor, ob die ungarischen Behörden sich bei der Würdigung der Angaben eines Asylbewerbers zu seiner sexuellen Orientierung auf ein psychologisches Gutachten stützen dürfen. Für den Fall, dass der Gerichtshof diese Frage verneinen sollte, wollte das ungarische Gericht außerdem wissen, ob es dennoch fachgutachterliche Methoden gibt, auf welche die nationalen Behörden zurückgreifen dürfen, um die Glaubhaftigkeit der Angaben zu prüfen, die im Rahmen eines solchen Asylantrags gemacht werden.
Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten nach Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.7
Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Richtlinie, die die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling regelt, den Behörden erlaubt, im Rahmen der Prüfung eines Asylantrags ein Gutachten in Auftrag zu geben, um besser feststellen zu können, inwieweit der Antragsteller tatsächlich internationalen Schutzes bedarf.
Dabei muss die Art und Weise, in der hierbei gegebenenfalls auf ein Gutachten zurückgegriffen wird, mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechten in Einklang stehen. Dabei sei insbesondere das Recht auf Wahrung der Menschenwürde und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu berücksichtigen.
Der EuGH hat entschieden, dass zur Prüfung auch Gutachten herangezogen werden dürfen. Die Entscheidung der nationalen Behörden und Gerichte bei der Würdigung der Aussagen eines Asylbewerbers zu seiner sexuellen Orientierung dürfe sich aber nicht allein auf die Ergebnisse eines Gutachtens stützen und die Behörden dürfen nicht an diese Ergebnisse gebunden sein. Die Behörden dürfen die Durchführung eines psychologischen Gutachtens zur Beurteilung der Frage anordnen, welche sexuelle Orientierung bei dem Asylbewerber tatsächlich vorliegt, wenn dieser sich in einer Situation befindet, in der seine Zukunft eng mit der Entscheidung verknüpft ist, die die Asylbehörden über seinen Antrag treffen. Eine etwaige Weigerung sich den fraglichen Tests zu unterziehen, könne dabei einen wichtigen Aspekt darstellen, für die Frage, ob der Asylbewerber seinen Antrag ausreichend begründet hat.
Erfolgt das Gutachten gegen den Willen des Asylbewerbers, so stellt dies einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar. Nach § 52 Abs. 1 der GRCh muss jede Einschränkung gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt des Grundrechts achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen die erlassenen Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des verfolgten Zwecks zulässigerweise geeignet und erforderlich ist. Der verursachte Nachteil darf insbesondere nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen.
Erforderlich sind sachliche Gründe, warum ein solch schwerwiegender Eingriff ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann. Hierfür bedarf es zunächst eines legitimen Zwecks.
Legitimer Zweck ist vorliegend die Überprüfung der sexuellen Orientierung des Antragsstellers, um hieraus einen Asylgrund herleiten zu können und damit Asyl im Land des Asylantrags gewähren zu können.
Der Eingriff muss geeignet sein, um diesen Zweck zu erfüllen. Der Eingriff kann nur gerechtfertigt sein, wenn das Gutachten zulässig ist, das heißt auf hinreichend zuverlässige Methoden gestützt wird. Diese Zuverlässigkeit wurde jedoch von der Kommission und mehreren Regierungen verneint. Die Aussagekraft und ob durch einen solchen Test Homosexuelle identifiziert werden können, ist stark umstritten. Im deutschen Asylverfahren gibt es schon seit Längerem keine psychologischen Tests mehr für Homosexuelle. Grund hierfür ist, dass die Erkenntnis deutscher Gerichte und des BAMF ergeben hat, dass Gutachter nur das beurteilen können, was ihnen die Bewerber erzählen. Die Geeignetheit eines solchen Gutachtens kann daher bereits in Frage gestellt werden.
Kommt man dennoch zu dem Ergebnis, dass die Geeignetheit vorliegt, stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit dieses Eingriffs in ein so wichtiges Recht, wie das auf die Wahrung der eigenen Privatsphäre. So kann beispielsweise Videoüberwachung als Eingriff in die eigene Privatsphäre gerechtfertigt sein, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit zwingend erforderlich ist.
Der EuGH weist darauf hin, dass die Erstellung eines Gutachtens zur Bestimmung der sexuellen Orientierung eines Asylbewerbers nicht unverzichtbar ist, um die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu bewerten. In einer Situation, in der Unterlagen zum Beweis über die sexuelle Orientierung des Asylbewerbers fehlen, müsse vielmehr kompetentes Personal der nationalen Behörden zur Verfügung stehen, um die Plausibilität und Kohärenz der Aussagen des Asylbewerbers zu bewerten. Der Nutzen eines solchen Gutachtens könne insbesondere dann in Zweifel gezogen werden, sofern die Aussagen keine Widersprüche aufweisen.
Jedenfalls aber ist die Erstellung eines Gutachtens zur Feststellung der sexuellen Orientierung unangemessen, wenn keinerlei Widersprüche in den Aussagen und sonstigen Angaben des Asylbewerbers festzustellen sind.
Die Auswirkungen eines solchen Gutachtens auf das Privatleben stehe laut EuGH in einem Missverhältnis zu dem Zweck der Feststellung, ob ein Asylgrund aufgrund der sexuellen Orientierung bestehe. Ein solcher Eingriff sei besonders schwerwiegend, da das Gutachten einen Einblick in die intimsten Lebensbereiche des Asylbewerbers gäbe. Bei der Erstellung eines solchen Gutachtens muss der Betroffene sich einer Reihe von Tests unterziehen, welche einen wesentlichen Bestandteil seiner Identität feststellen sollen und seine Intimsphäre berühren. 8
Unter diesen Umständen gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Beurteilung der Frage, welche sexuelle Orientierung bei einem Asylbewerber tatsächlich vorliegt, im Licht der Charta nicht mit der Richtlinie zu vereinbaren ist. Auch bei einer Einwilligung des Asylbewerbers sei ein solches Gutachten nicht mit der Charta vereinbar, da der Betroffene bei seiner Zustimmung unter erheblichem Druck stehe.
Gutachten, die keinen Eingriff in das Privatleben der Betroffenen bedeuten sind jedoch weiterhin erlaubt. Beispiel hierfür wäre ein Gutachten, über die Prüfung der Lage Homosexueller im jeweiligen Herkunftsland.
Das Urteil des EuGH ist zu begrüßen. Der EuGH bestärkt seine bisherige Rechtsprechung und die Grundrechte aller Menschen. Das Urteil macht deutlich, dass es bei der Beurteilung der Wahrung der Grund- und Menschenrechte nicht darauf ankommt, ob jemand Flüchtling ist oder nicht. Insbesondere homosexuelle Flüchtlinge werden wiederholt Opfer von Viktimisierung, da sie nicht nur aufgrund ihrer Eigenschaft als Flüchtling, sondern auch noch aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert werden. Durch das Urteil hat der EuGH verdeutlicht, dass Verstöße gegen Grundrechte- egal ob Flüchtling oder nicht- keinesfalls hinzunehmen sind.
Zwar dürfen Behörden nach wie vor Gutachten in Auftrag geben, soweit diese nicht in das Grundrecht auf Privatsphäre oder in ein anderes von der Charta der Grundrechte garantiertes Recht eingreifen. Nationale Behörden dürfen ihre Entscheidung aber nicht nur auf die Ergebnisse eines Gutachtens stützen. Ein solch eingeholtes Gutachten entfaltet keine Bindungswirkung bei der Bewertung der Aussagen des Betroffenen zu seiner sexuellen Orientierung. Vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt der Aussage vorliegen.
Art. 4 der Richtlinie 2011/95 ist im Lichte der Charta der Grundrechte dahingehend auszulegen, dass er es untersagt, psychologische Gutachten zu erstellen und heranzuziehen um die sexuelle Orientierung einer Person herauszufinden, die auf der Grundlage eines projektiven Persönlichkeitstests die sexuelle Orientierung dieser Person abbilden soll.
Betroffene, bei denen dennoch Gutachten eingeholt werden, um die sexuelle Orientierung festzustellen, sollten die Teilnahme an diesen verweigern und anwaltlichen Rechtsbeistand einholen.
1 http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Schutzformen/Fluechtlingsschutz/fluechtlingsschutz-node.html.
2 vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 3, Art. 39 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie; http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32005L0085.
3 Art. 10 Abs. 1 d) der Richtlinie; http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32011L0095.
4 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0197455610000602.
5 http://de.rorschach-inkblot-test.com/.
6 http://www.businessinsider.de/szondi-test-gibt-aufschluesse-ueber-moegliche-persoenlichkeitsstoerungen-2017-3.
7 vgl. diverse Pressemitteilungen EuGH.
8 vgl. Urteile des EuGH vom 07.11.2013, X. u.a.; C-199/12 bis C201/12, EU:C:2013:720, Rn. 46 sowie Urteil des EuGH vom 02.12.2014, A. u. a., C-148/13 bis C150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 52 und 69.